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Großer Kader als Faustpfand

Die Tatsache, dass ein großer Kader in einem Mannschaftsspiel mitunter den Unterschied ausmachen kann, ist eine Binse. Die Tatsache, dass die Aufstellung eines Liberos im Volleyballsport unter gewissen Umständen zu einem Spielabbruch führen kann, stellt die allermeisten Sportinteressierten vermutlich vor ein Rätsel.

So hinterließ das Schiedsgericht bei den zahlreichen Zuschauer in der stimmungsvollen Schulturnhalle des Heinzenwies-Gymnasiums auch zunächst einmal fragende Blicke, als es die zweite Partie des ersten Verbandsliga-Heimspieltags, SSVGH Idar-Oberstein gegen SG Südpfalz II, nach 34 Minuten abbrach. Dabei handelten die Schiedsrichter völlig regelkonform. Die Gäste aus Herxheim konnten beim Spielstand von 14:14 im zweiten Satz nach einer Verletzung ihres Außenangreifers nicht mehr auf die erforderliche Zahl von sechs Spielern kommen, da das Team mit nur sieben Akteuren angereist war und sein Trainer bei der Aufstellung zu Spielbeginn einen Libero in den Spielberichtsbogen eingetragen hatte. Ein solcher „freier Mann“ darf nur zur Abwehr eingesetzt werden und zählt daher nicht als vollwertiger Feldspieler. Ergo standen schlussendlich nur fünf Südpfälzer zur Verfügung – das Match musste abgebrochen werden und ging mit 3:0 (26:24/25:14/25:0) an die heimischen Heinzenwiesler. Bei Chefcoach Manuel Scherer und seiner Truppe hielt sich die Freude über die „geschenkten“ Punkte erwartungsgemäß in Grenzen: „Zunächst einmal wünschen wir dem Herxheimer Spieler alles Gute bei der Genesung. Natürlich hätten wir viel lieber auf sportlichem Weg gewonnen, denn das hätte sicherlich Pluspunkte für unser Selbstvertrauen gegeben, zumal wir ja gut im Spiel waren, aber es ist nun einmal so gekommen.“

Der SSVGH hatte gegen eine junge, mit Auswahlspielern gespickte Pfälzer Mannschaft zwar so seine liebe Mühe, spielte aber in einem umkämpften ersten Satz schließlich seine ganze Erfahrung aus, um nach der Abwehr eines Satzballes bei 23:24 letzten Endes doch noch die Oberhand zu behalten (26:24). „Mein Bruder Sebastian als Spielmacher, Christian Lehnen, Hagen Becker und Patrick Kirstein im Außenangriff wissen in der Regel genau, was in den entsprechenden Situationen zu tun ist. Außerdem können wir durch unseren breiten Kader taktisch sehr flexibel auf bestimmte Konstellationen reagieren “, arbeitete Manuel Scherer den entscheidenden Unterschied zu den jungen, wilden Gästen heraus. Auch der zweite Satz verlief ähnlich offen und umkämpft wie Durchgang eins, bevor die erwähnte Sprunggelenksverletzung dem Match ein jähes Ende setzte.

Vor dem Spiel gegen die SG Südpfalz II hatte der Schulsportverein aus Idar-Oberstein bereits drei Punkte auf der Habenseite: Die SG U.N.S. Rheinhessen II wurde im ersten Spiel des Tages in 99 Minuten (20:25/26:24/25:22/25:17) mit 3:1 geschlagen, wobei die ersten eineinhalb Sätze dem Trainer-Gespann Manuel und Sebastian Scherer doch einige Sorgenfalten auf die Stirn trieben, zu unkonzentriert, nervös und drucklos agierten ihre Jungs. Allein neun Angabefehler in Durchgang Eins, etliche ungenaue Annahmen und vermeidbare Fehler im Angriff vermasselten den Heinzenwieslern einen erfolgreichen Start in ihre allererste Verbandsligasaison. Die erste Sechs mit Arvid Kammann im Zuspiel, Maximilian Gebert und Florian Lehnen im Mittelblock, Hagen Becker und Maurice Machwirth im Außen- und Patrick Kirstein im Diagonalangriff fand ohne ihren beruflich fehlenden Power-Hitter Lewan Jishkariani zu keinem Zeitpunkt Zugang zur Partie und lief permanent einem Rückstand hinterher: Das 20:25 war die logische Konsequenz. „Da hat mir fast gar nichts gefallen“, monierte Manuel Scherer Einstellung und Auftreten seines Teams: „Wir hatten überhaupt keine Körperspannung und Körpersprache und haben den Satz einfach so weglaufen lassen. Die Nervosität war unübersehbar.“ Trotz einer deutlichen Ansprache in der Satzpause und dezenten Korrekturen bei der Aufstellung (Steven Popp für Machwirth) setzte sich der Negativtrend zunächst fort. Erst die Auszeit beim Spielstand von 9:15 brachte die erhoffte Wende. Eine Acht-Punkt-Aufschlagserie von Sebastian Scherer war der „Dosenöffner“; der SSVGH war nun voll drin in der Partie, fightete um jeden Punkt, wehrte beim Stand von 23:24 einen Satzball ab, bevor Hagen Beckers Schmetterschlag bei 25:24 den Deckel auf den Satz machte. Beflügelt vom erfolgreichen Endspurt löste sich die Blockade bei den Gastgebern ab dem dritten Satz immer mehr und es bewahrheitete sich das, was Manuel Scherer später als Faustpfand für seine Truppe bezeichnete: „Unser großer Kader zahlt sich aus.“ So konnte der Trainer im dritten Satz gegen einen immer müder werdenden Gegner den oberligaerfahrenen Christian Lehnen nachlegen, dadurch taktisch auf ein Läufersystem mit drei Angreifern umstellen und so den Druck nach und nach erhöhen. Mit denen sich häufenden positiven Aktionen schwand die Nervosität gen Null und die Sätze drei (25:22) und vier blieben (25:17) blieben in der Schmuckstadt.

Am Ende dieses hochinteressanten Spieltags zog Manuel Scherer müde, aber zufrieden Bilanz: „Wie erwartet verlangt uns diese ausgeglichene Liga vermutlich Woche für Woche alles ab, aber wir haben auch gesehen, dass wir mithalten können, umso mehr, wenn uns nächste Woche Lewan wieder zur Verfügung steht und unsere angeschlagenen Spieler, Sebastian und Steven, die sich aufopferungsvoll in den Dienst der Mannschaft gestellt haben, wieder schmerzfrei sind.“

Dann reisen die Heinzenwiesler mit voller Kapelle und sechs Punkten im Gepäck nach Mainz zur TSG Bretzenheim – und mit einem Libero Tobias Frinke, dessen Aufstellung allerdings sicherlich nicht zu einem Spielabbruch führen wird …

(Florian Meigen)