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Lesung mit Tim-Julian Schneider
Am 17. Juni besuchte der Autor Tim-Julian Schneider unser Gymnasium, um den Schülerinnen und Schülern der 10. Klassen aus seinem neuen Roman „Mary-Ann“ vorzulesen. Der 23-jährige ehemalige Göttenbacher wohnt in Mainz und arbeitet dort für den Online Nachrichtendienst des ZDF.
Im Mittelpunkt seiner bereits zweiten Veröffentlichung steht der 15-jährige Ich-Erzähler, der bis vor Kurzem noch sehr behütet in seiner Familie aufwuchs. Doch das ändert sich an Weihnachten schlagartig, als sein Vater von einem auf den anderen Tag die Familie verlässt, ohne dass der Junge einen Grund dafür erfährt. Die Mutter trifft dieser Umstand so hart, dass sie alkoholabhängig wird und in den Zeiten, in denen sie nicht im Schichtdienst als Krankenschwester arbeitet, mit der Flasche in der Hand auf dem Sofa herumvegetiert. Einziger Halt für den Protagonisten, der unbenannt bleibt, ist sein bester Freund Billie, der beim SV Taubertshausen Fußball spielt. Bis er in der Schule neben die überaus undurchsichtige Mary-Ann gesetzt wird. Dieses Mädchen ist meist nicht sehr gesprächig und leidet noch dazu unter sehr starken Stimmungsschwankungen, die ihre Laune von einer Unterrichtsstunde zur anderen völlig unerwartet kippen lassen. Über ein Projekt im Matheunterricht lernen sich die beiden näher kennen und erleben rasch den ersten Kuss und das erste Mal gemeinsamen Sex. Dabei denkt der Ich-Erzähler, dass alles ehr unverbindlich und nichts Ernstes ist, obwohl die Art und Weise, wie er Mary-Ann beschreibt, den Leser erkennen lässt, dass er sehr verliebt in sie ist. Bei ihren gemeinsamen Treffen zeigt sich, dass Mary-Ann künstlerisch begabt ist. Nach ihren Schäferstündchen zeichnet sie immer hingebungsvoll an ihrem Comic. Außerdem hat auch sie keinen Vater mehr. Als sie 8 Jahre alt war, starb er an Krebs. Auch über diese eher emotionale Schiene knüpfen die beiden Jugendlichen eine enge Verbindung. Doch dann landet der Ich-Erzähler im Suff nach einer Party mit einem anderen Mädchen im Bett, woraufhin Mary-Ann, nachdem sie davon erfahren hat, den Kontakt zu ihm abbricht. Das Tragische an der ganzen Situation ist aber, dass der Protagonist sich nicht eingesteht, dass er Mary-Ann liebt und sich daher nur halbherzig entschuldigt. Im Verlauf des Buches klingt an, dass dieser Bruch in der Beziehung nicht mehr gekittet werden kann. Ein Feuerwehreinsatz bei Gewitter lässt sogar das Schlimmste erahnen.
Stilistisch ist der Roman an die sprachliche Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler angelehnt. Neben humorvollen und frechen Kommentaren des Schülers stehen auch Fäkalausdrücke des beleidigten Liebhabers. So ist dort durchaus „Scheiße“, „Hurensohn“, „abgefuckt“ und „Vollidiot“ zu lesen, ohne dass man sich darüber aufregen muss. Ganz im Gegenteil macht der Sprachduktus die Geschichte umso glaubwürdiger und authentischer und spiegelt damit wohl auch die Jugend des Autors.
In der anschließenden Fragerunde erzählte Tim-Julian Schneider, dass er insgesamt eineinhalb Jahre an dem Buch gearbeitet hat und dass das Schreiben an sich nur der kleinste Teil im Arbeitsprozess war. Das Redigieren und Schreiben der Klappentexte sowie die Gestaltung des Buchcovers müssen auch mit eingeplant werden. Außerdem muss ein Verlag gefunden werden, im Falle von „Mary-Ann“ war es ein Selbstverlag, der das Buch dann zwar kostenlos druckt, aber an den Verkäufen prozentual beteiligt ist. Große Hoffnungen, von der Schriftstellerei eines Tages leben zu können, hat der 23-Jährige aber nicht. In Deutschland ist dies eh nur einem Prozent aller Autoren vergönnt. Aber ein drittes Buch ist bereits in Arbeit. Der Roman „Mary-Ann“ steht für alle Interessierten und Lesebegeisterten auch in der Schulbibliothek zur Ausleihe bereit.
(Jessica Friesen)