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Ringen um eine neue Weltordnung – Leiter des ZDF-Studios Washington, Elmar Theveßen, referierte vor der MSS 13 des Gymnasiums an der Heinzenwies über den Kampf der Supermächte USA und China
Zwei Schulstunden lang hätte man eine Stecknadel fallen hören können – so gebannt lauschten die 54 Schülerinnen und Schüler der MSS 13 den Erzählungen von Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios Washington, der auf Einladung von Studiendirektor Christian Grosscurth an die Heinzenwies gekommen war.
Theveßen gewährte den Schülerinnen und Schülern zunächst Einblick in seine journalistische Laufbahn: Nach dem Abitur in Viersen studierte er in Bonn Geschichte, Politikwissenschaft und Germanistik. Schon während seines Studiums arbeitete er beim ZDF in Bonn, wo er später Chef vom Dienst für „Aktuelles“ wurde. Seit 2019 ist er nun Studioleiter in Washington mit zwanzig Mitarbeitern und hautnah dran an den Großen der Welt.
Theveßen berichtete von seinen Eindrücken beim G 20-Gipfel letzte Woche in Rio und schilderte, wie er die Welt derzeit erlebt: „Die Weltordnung, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg kennen“, so sein Fazit, „existiert nicht mehr.“ Anhand eines Ausschnitts aus einer Rede Joe Bidens vor dem Warschauer Königsschloss im Jahre 2023 zeigte Theveßen auf, dass sich zunehmend liberale Demokratien und autoritäre Regime mit anderen Weltvorstellungen gegenüberstehen. Eindrucksvoll demonstrierte er an einigen Beispielen, wie letztere bewusst die Charta der Vereinten Nationen unterlaufen. Am Beispiel Chinas erklärte Theveßen, dass von Xi Jinping keine gemeinsame Wertebasis zwischen Staaten mehr gewünscht sei, dem Einzelnen würde das Recht auf ein auskömmliches Leben zugestanden, aber keine individuellen Freiheitsrechte mehr. Auch den großen Konflikt zwischen den USA und China um Taiwan im Indopazifik erläuterte Theveßen den Heinzenwieslerinnen und Heinzenwieslern näher. Erschreckend klang, was Theveßen über die Versuche Chinas berichtete, auf liberale Staaten Einfluss zu nehmen. So kontrolliere China bereits einen großen Teil der amerikanischen Filmindustrie, bei Dreharbeiten sei mittlerweile ein chinesischer Zensor dabei, erfolgreiche Hollywood-Filme müssten so gemacht sein, dass sie auch in China laufen könnten. Auch über die Konfuzius-Institute an deutschen Universitäten versuche China Einfluss zu gewinnen. Sein Fazit: Die Demokratien müssten sich beweisen, sonst hätten Diktatoren zunehmend leichtes Spiel.
Dass er diesen Kampf eher Joe Biden zugetraut hätte, daran lässt Theveßen an diesem Morgen auch keinen Zweifel. Er berichtet von den zutiefst gespaltenen Vereinigten Staaten, wo eine – wie er anhand von Statistiken zeigt – knappe Mehrheit von Wählern die Entscheidung gefällt habe, dass sie nicht an das Funktionieren der Demokratie glaube und daher einen starken Mann gewählt habe, der vermeintlich alle Probleme löse. Donald Trump sehe sich im Konflikt mit Europa, glaube daran, dass Europa ihn über den Tisch ziehen wolle und werde immense Strafzölle verhängen, die letztlich die Preise in den USA in die Höhe treiben werden. Theveßens Vortrag endete dort, wo er begann: beim G 20-Gipfel in Rio. Die ganz Großen seien damit beschäftigt sich selbst zu zerstören. Dennoch blieb Theveßen optimistisch: Die Europäer hätten seiner Ansicht nach die besten Möglichkeiten, wenn sie zusammenhielten. Schließlich sei die EU die beste Erfindung in Sachen Demokratie in der ganzen Menschheitsgeschichte. Sie habe Frieden, Freiheit und Wohlstand gebracht.
Im Anschluss an Theveßens Vortrag antwortete der Journalist geduldig auf die vielen Fragen aus dem Publikum, die von den Schülerinnen Johanna Meigen, Svenja Stein, Eva Schäfer und Christine Knapp moderiert wurden. Die Frage, wie er zu seinem Berufswunsch gekommen sei, beantwortete er dabei ebenso souverän wie Fragen nach seiner Expertise als Terrorexperte oder die Frage nach gefährlichen Situationen bei seiner Arbeit. Die Schülerinnen und Schüler erfuhren, dass für Theveßen hierzu der 6.1.2021 zählt, als er beim Sturm aufs Kapitol mitten in der Menge stand. Auch die Frage nach gutem Qualitätsjournalismus kam auf. Und schließlich wollte ein Zuschauer wissen: „Wie ist das im Trumpismus zu arbeiten?“ Hier zeichnete Theveßen ein eher düsteres Bild seiner Arbeit in den nächsten Jahren: Die Pressefreiheit in den USA werde möglicherweise eingeschränkt, schon jetzt werde Fernsehsendern wie CBS mit Lizenzentzug gedroht und eventuell bekämen nur noch Influencer Zugang zum Weißen Haus. Das Visum für ausländische Journalisten würde möglicherweise auf 180 bis 240 Tage beschränkt. Aber auch weiterhin sei es seine Aufgabe, sachlich über alle Ereignisse zu berichten. Die Schülerinnen und Schüler bedankten sich mit viel Applaus und einem Präsent bei dem Journalisten für die vielen aufschlussreichen Informationen und diesen besonderen Schulmorgen.
(Francesca Schmidt)