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Was ist der Mensch? Schriftliches Abitur am Gymnasium an der Heinzenwies betrachtete Facetten des Menschseins

„Abitur – Bitte Ruhe!“ Die drei Worte am Eingang des Neubaus des Gymnasiums an der Heinzenwies kündigten an, dass wieder einmal die drei wichtigsten Wochen im Jahr angebrochen waren: Das schriftliche Abitur stand auf dem Plan und wieder regten viele der eingereichten Themen zu philosophischen Überlegungen an. So stand in diesem Jahr der „Mensch“ im Zentrum vieler Fächer und Aufgaben. Den Menschen aus physischer Sicht betrachtete die Biologie: Das menschliche Hormonsystem, aber auch Geißeln der Menschheit wie Malaria oder Sichelzellenanämie, die ebenfalls häufig in Malariagebieten vorkommt, standen hier im Fokus. Des Menschen liebstes Spielzeug, das Auto, mussten die Chemiker ebenso unter die Lupe nehmen wie eine seiner Lieblingsspeisen, den Hamburger. Dass der Mensch die Natur bereits tief durchdrungen und seine wissenschaftlichen Erkenntnisse für konkrete Erfindungen genutzt hat, demonstrierte wiederum die Physik-Prüfung: Das Prinzip eines Lasers musste hier erklärt werden ebenso wie die Schaltskizze eines Schwingkreises gezeichnet werden musste. Ein solcher wird in Radios zum Empfang bestimmter Sender verwendet.

Insbesondere auch die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer beschäftigten sich mit anthropologischen Themen. In Erdkunde wurde am Beispiel des thailändischen Phuket die kritische Frage gestellt, ob Tourismus in Entwicklungs- und Schwellenländern auf Kosten der Menschenrechte geht. Ein weiteres geografisches Thema fragte nach den Gründen der sozialen Ungleichheit in Brasilien und hinterfragte die Kolonialzeit. Auch der zweite Erdkunde-Leistungskurs forderte zur kritischen Stellungnahme heraus: Entwicklungshilfe oder Neokolonialismus? Am Beispiel Malis sollte diese Frage beantwortet werden. Wie die Entwicklung der Automobilindustrie das Leben der Menschen im Manufacturing Belt verändert hat, beleuchtete das zweite Thema. Wohnqualität, Arbeitsstätten und Freizeitmöglichkeiten der Menschen heute wurden hier unter die Lupe genommen. Im Fach Geschichte ging es um die Grundideen der Aufklärung und um die Frage, wie diese sich bis heute auswirken. Im Gegensatz zu den großen Ideen von Freiheit und Gleichheit in der Aufklärung, beschäftigte sich das zweite Geschichtsthema mit einem dunklen Kapitel der Menschheitsgeschichte, dem Kalten Krieg. Ganz aktuelle menschliche Probleme in Deutschland griff die Sozialkunde-Prüfung auf: Wer das Thema „Wirtschaft“ wählte, musste die Frage analysieren: „Wie zukunftssicher ist unsere Soziale Marktwirtschaft?“ Die gegenwärtige Konjunktur wurde vor dem Hintergrund beleuchtet, welche Reformen die neue Bundesregierung in Angriff nehmen sollte. Die Bundestagswahl vor vier Monaten hatte ihre Spuren auch im zweiten Sozialkunde-Thema hinterlassen: Hier sollte die Zukunftsfähigkeit des deutschen Wahl- und Parteiensystems geprüft werden.

Auch in Französisch stand das gebrochene Individuum im Zentrum eines zu analysierenden Textes: Obdachlose und Flüchtlinge in Frankreich und soziale Projekte, die sich ihnen annehmen, wurden thematisiert. Eine der letzten Reden Barack Obamas als US-Präsident hatte das Fach Englisch ausgesucht. Dass Demokratie nur auf der Basis menschlicher Solidarität funktionieren kann, verdeutlichte der damalige Präsident eindrucksvoll. Auch im zweiten Englisch-Leistungskurs ging es um einen wichtigen Aspekt des menschlichen Zusammenlebens, die Friedensicherung. Das barocke Lebensgefühl und seine Wiederspiegelungen bei heutigen Menschen konnten die Prüflinge im Fach Deutsch analysieren. Wer das nicht wollte, konnte sich mit Georg Büchners „Woyzeck“ auseinandersetzen, einem der ersten sozialkritischen Dramen deutscher Sprache, das das zerrissene und von Arbeit entmenschlichte Individuum zeigt. Auch der zweite Deutsch-Leistungskurs hatte sich mit Texten über das gepeinigte menschliche Wesen auseinanderzusetzen. Die Schrecken des Krieges führen Marie-Luise Kaschnitz‘ Gedicht „Hiroshima“ und Peter Huchels „Chausseen“ deutlich vor Augen. Eine andere zentrale anthropologische Frage thematisierte das zweite mögliche Wahlthema, die Frage nach dem Glück. Das Glück des Einzelnen und die diesem widerstrebenden Forderungen der Gesellschaft führt Theodor Fontanes Roman „Irrungen, Wirrungen“ vor. Schließlich blieb allen Schülerinnen und Schülern noch die Möglichkeit, die zentral gestellte Deutschaufgabe, einen Sachtext über Facebook und den entstehenden gläsernen Menschen zu wählen.

Das Internet fand sich schließlich auch in den mathematischen Aufgaben wieder, die zur allgemeinen Freude der Abiturienten sehr personalisiert daherkamen. Der Stochastik-Teil beschäftigte sich mit der Firma SchmiRei. Die Mathelehrer der beiden Mathematikleistungskurse, Markus Schmitt und Ingo Reidenbach, werden so wohl für ihre Schüler unvergesslich bleiben. Diese mussten die Wahrscheinlichkeit berechnen, dass ein Kunde namens Philipp, der sich erstmalig auf der Internetseite der Firma registriert, das Passwort „IIHLPPP“ wählt. Im Arbeitsgebiet der analytischen Geometrie ging es darum, dass der Förderverein des Gymnasiums auf dem Schulhof eine Spielpyramide errichten möchte. Diese Pyramide galt es dann zu berechnen.

Nun müssen die Abiturientinnen und Abiturienten einige Wochen warten, bevor sie erfahren, wie sie in den einzelnen Fächern abgeschnitten haben. Und wenn dann noch das mündliche Abitur im März überstanden ist, kann gefeiert werden.